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Ein Fundament aus Werten

Welche Bedeutung hat die Gesellschafterfamilie für Endress+Hauser? Wie beeinflussen familiäre Werte den Erfolg? Und warum sind an der Spitze eines Familienunternehmens ganz besondere Qualitäten gefragt? Ein Gespräch mit den Endress+Hauser Verwaltungsräten Sandra Genge und Steven Endress sowie CEO Peter Selders.

09.12.2025 Text: Christoph Stockburger, André Boße Fotografie: Andreas Mader
Steven Endress, Sandra Genge und Peter Selders

Was macht Familienunternehmen besonders?

Peter Selders: Familienunternehmen sind im besten Sinne nachhaltig. Die meisten sind sehr langfristig orientiert. Sie stützen sich auf ein starkes Wertegerüst, zeigen Verantwortung. Mit Mitarbeitenden und Kunden streben sie langjährige Beziehungen an, den Gewinn belassen sie überwiegend im Unternehmen. Das alles sorgt für Stabilität und Resilienz. Endress+Hauser ist ein gutes Beispiel dafür.

Und was macht Endress+Hauser zu einem besonderen Familienunternehmen?

Steven Endress: Mein Großvater Georg H. Endress hat die Anteile am Unternehmen gerecht und zu gleichen Teilen an seine Kinder übergeben. Das ist bei Familienunternehmen nicht immer der Fall. Viele Familien entscheiden, das Eigentum oder die Leitung nur denjenigen Kindern zu übertragen, die weiter im Unternehmen arbeiten. Das Vorgehen unseres Großvaters hat eine Stärke: Die Eigentümerstruktur fördert ein tiefes Verantwortungsbewusstsein für das Unternehmen und für die verschiedenen Meinungen in der Familie.

Peter Selders, CEO von Endress+Hauser ©Endress+Hauser

Spüren Sie dieses Verantwortungsgefühl, Herr Selders?

Peter Selders: Auf jeden Fall! Die Bindung der Familie ans Unternehmen ist eng. Das spüre ich an ihrem Interesse, an ihrem Informationsbedürfnis und gelegentlich auch am Diskussionsbedarf. Die Familie möchte die Entwicklung der Firma verstehen. Dabei geht es immer um das Unternehmen als Ganzes, nie nur darum, wohin sich Gewinn oder Dividende bewegen. Die Familie hat in ihrer Charta ja festgehalten, dass sie das Unternehmen weiter prägen will.

Auf welche Weise prägt die Familie das Unternehmen?

Sandra Genge: Die Werte, für die wir stehen, ermöglichen es dem Management, sich auf langfristigen Erfolg zu konzentrieren statt nur auf kurzfristige Gewinne. Im Familienunternehmen denken wir in Generationen, nicht in Quartalen. Das sorgt für Stabilität und Vertrauen. Neben dieser generellen Prägung gibt es auch eine spezifische, und hier stehen wir vor einer neuen Situation. Mehr als 70 Jahre lang war zumindest ein Mitglied der Familie auch auf der operativen Ebene vertreten. Das ist jetzt erstmals in der Unternehmensgeschichte nicht der Fall. Natürlich ist es für uns als Familie nach wie vor wichtig, eine aktive Rolle zu spielen. Das ist auch möglich, ohne operative Verantwortung zu tragen. Dafür stehen vielfältige Institutionen zur Verfügung – etwa der Verwaltungsrat oder die verschiedenen Gremien. Zudem bin ich sehr optimistisch, dass wir in Zukunft auch wieder Familienmitglieder auf operativer Ebene sehen werden.

Inwiefern ist es eine Herausforderung, dass kein Familienmitglied mehr operativ in der Verantwortung steht?

Peter Selders: Ich denke, wir sind hier bei Endress+Hauser gut aufgestellt. Das Unternehmen wurde 60 Jahre lang von Mitgliedern der Familie geführt. Seit mehr als zehn Jahren setzen Personen dieses Werk fort, die nicht zur Familie gehören. Der Schlüssel für den gelungenen Übergang ist, dass die Familie mit ihrer Charta genau auf diese Situation vorbereitet war. Dazu gehört auch, dass der Informationsfluss nicht abbricht und keine Distanz zum Unternehmen entsteht. Es ist unter anderem meine Aufgabe als CEO, zusammen mit dem Präsidenten des Verwaltungsrates diese Transparenz für die Familie zu schaffen. Sie hat Institutionen ins Leben gerufen, die für Austausch sorgen, die Bindung ans Unternehmen stärken und jüngere Familienmitglieder mit dem Geschäft vertraut machen. Und sie schafft Möglichkeiten, sich für das Unternehmen zu engagieren.

Sandra Genge ©Endress+Hauser

Wie und wo bringt sich die Familie ins Unternehmen ein?

Sandra Genge: Ein Beispiel ist der Verwaltungsrat, dem Steven und ich angehören. Dort ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wichtige strategische Entscheidungen unsere familiären Werte berücksichtigen. Auch gibt es den Familienrat, der das Bindeglied zwischen der Familie und dem Unternehmen darstellt. Hier sind alle acht Zweige der Familie mit einem Mitglied vertreten.

Steven Endress: Für mich zeigt sich das starke Engagement der Familie auch darin, dass wir uns über die Arbeit in den Gremien hinaus Zeit für das Unternehmen nehmen. Zeit für die offiziellen Sitzungen, aber auch für informelle Treffen im Kreis der Familie, die unser gegenseitiges Verständnis fördern, wobei das Unternehmen immer im Mittelpunkt steht.

Sandra Genge: Für mich war das Unternehmen schon in jungen Jahren wie ein weiteres Familienmitglied – es ist immer dabei!

Steven Endress: Das stimmt. Dennoch ist es wichtig, dass Familienmitglieder im Unternehmen tätig sind und eines Tages vielleicht auch wieder auf die operative Ebene vorrücken. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr das die Bindung zwischen Familie und Unternehmen stärken kann.

Welche Maßnahmen treffen Sie, um das zu erreichen?

Peter Selders: Prinzipiell erlaubt die Charta seit einigen Jahren, dass Familienmitglieder auf allen Ebenen tätig sein dürfen – und nicht, wie früher, nur in einer leitenden Funktion. Das erweitert die Möglichkeiten. Aber die Charta hält auch fest, dass für Mitglieder der Familie die gleichen Regeln und Anforderungen gelten wie für andere Mitarbeitende.

Steven Endress: Den jungen Familienmitgliedern ermöglichen wir über Praktikumsplätze einen einfachen und unkomplizierten Zugang zu Endress+Hauser. Sie sollen einen Eindruck von der Arbeit des Unternehmens erhalten. Einer meiner Neffen hat gerade ein solches Praktikum in der Schweiz absolviert, eine meiner Nichten war kürzlich in den USA tätig. Beide sind mit äußerst positiven Erfahrungen zurückgekehrt, das freut mich sehr!

Sandra Genge: Ein weiteres Beispiel ist das jährliche Familiencamp für alle zwischen 16 und 35 Jahren. Die jungen Mitglieder der Familie verbringen vier Tage zusammen, erfahren etwas über das Unternehmen und seine Geschichte, lernen ihre Cousinen und Cousins besser kennen und haben eine gute Zeit miteinander. Gerade Letzteres ist besonders wertvoll, da sie – anders als Geschwister – nicht von klein auf so eine enge Beziehung zueinander pflegen.

Steven Endress

„Die Eigentümerstruktur fördert ein tiefes Verantwortungsbewusstsein für das Unternehmen.“

Steven Endress, Verwaltungsrat der Endress+Hauser Gruppe

Wie gestalten Sie als Familienvertreter im Verwaltungsrat die Zusammenarbeit mit dem CEO und dem Executive Board?

Steven Endress: Wir nehmen uns füreinander Zeit. Wir tauschen uns aus. Und wir teilen die gleichen Werte. Das ist ein zentraler Punkt, und Peter Selders hat ihn zu Beginn erwähnt: Ein Familienunternehmen unterscheidet sich von einem börsennotierten Unternehmen dadurch, dass es diese starken familiären Werte gibt – und dass diese auch von der Geschäftsleitung gelebt werden. So bringen wir unsere Werte zu allen, die für Endress+Hauser tätig sind.

Sandra Genge: Neben vielen planmäßigen Sitzungen mit dem CEO und dem Executive Board finden immer wieder informelle Gespräche statt. Wobei es ein gutes Zeichen ist, dass beide Seiten den Kontakt suchen. Das gilt auch für den Austausch mit dem übrigen Management. Es ist für uns sehr wichtig, mit den Menschen zu sprechen. So bekommen wir ein Gespür dafür, was die Menschen antreibt und bewegt, wo ihre Herausforderungen liegen und wo sie der Schuh drückt.

Sandra Genge

„Die Werte, für die wir stehen, ermöglichen esdem Management, sich auf langfristigen Erfolg zu konzentrieren statt nur auf kurzfristige Gewinne.“

Sandra Genge, Verwaltungsrätin der Endress+Hauser Gruppe
Steven Endress ©Endress+Hauser

Wie beeinflussen Sie als Verwaltungsräte die Führung und Entwicklung des Unternehmens?

Steven Endress: Wir achten sehr darauf, einen solchen Einfluss eben nicht auszuüben. Unsere Rolle besteht vielmehr darin, Unterstützung anzubieten oder Überlegungen zu hinterfragen. Immer mit dem Anspruch, sicherzustellen, dass unsere Werte erkennbar bleiben. Ansonsten mischen wir uns nicht in operative Dinge ein. Wir beschränken uns auf Entscheidungen, die die langfristige Ausrichtung des Unternehmens beeinflussen. Davon gibt es vielleicht eine oder zwei im Jahr – die strategische Partnerschaft mit SICK in der Prozessautomatisierung ist ein Beispiel aus jüngerer Zeit.

Peter Selders: Die Aufgaben von Verwaltungsrat und Executive Board sind bei Endress+Hauser klar geregelt. Die Verantwortung für das operative Geschäft liegt beim Executive Board mit dem CEO als Vorsitzenden. Der Verwaltungsrat wacht darüber, dass die Regeln eingehalten werden – und er berät über weitreichende Entscheidungen, die seiner Zustimmung bedürfen. Meine Aufgabe als CEO ist es deshalb, wichtige Themen frühzeitig anzusprechen und die Mitglieder des Verwaltungsrats gut abzuholen.

Wie schwer ist es, als Familie das Unternehmen zwar zu prägen, aber eben nicht Einfluss zu nehmen? Ist das nicht ein Balanceakt?

Sandra Genge: Mein Onkel Klaus Endress hat unsere Rolle im Verwaltungsrat etwas humorvoll so umschrieben: „Wir dürfen die Nase reinstecken, aber die Finger müssen wir draußen lassen.“ Anders gesagt: Wir stellen als Familie sicher, dass die Strategie mit unseren Werten und Zielen übereinstimmt, lassen dem Management ansonsten aber unternehmerische Freiheit. Ich bin überzeugt, dass das der Weg ist, um als Familienunternehmen erfolgreich zu sein. Die Unternehmenskultur von Endress+Hauser ist ein Wettbewerbsvorteil. Unsere Aufgabe ist es, diese zu erhalten und weiterzuentwickeln. Und das geht nur im Zusammenspiel mit den Führungskräften im Unternehmen. Sie füllen diese Werte mit Leben und geben sie an die Menschen bei Endress+Hauser weiter.

Geregelte Beziehungen

Über vier Jahrzehnte hat Dr. h. c. Georg H. Endress die Geschicke des von ihm gegründeten Unternehmens selbst geleitet.  1995 folgte ihm Dr. h. c. Klaus Endress als CEO der Gruppe nach. Seitdem stehen Personen an der Spitze, die nicht der Gesellschafterfamilie angehören – zuerst ab 2014 Matthias Altendorf, seit 2024 Dr. Peter Selders. Dennoch bleibt die Familie dem Unternehmen eng verbunden. Ein Schlüssel dazu ist die Charta der Familie Endress. Mit ihren Prinzipien und Institutionen stärkt sie den familiären Zusammenhalt, regelt die Mitwirkung im Unternehmen und führt die jüngere Generation an das Geschäft heran. Wichtigstes Gremium ist der Familienrat. Er bildet das Bindeglied zwischen Familie und Unternehmen und berät in bedeutenden Angelegenheiten. 

Braucht es als CEO eines Familienunternehmens besondere Eigenschaften?

Peter Selders: Wer ein Familienunternehmen führen will, muss verstehen, dass die Eigentümer ein besonderes Verhältnis zu diesem Unternehmen haben. Es ist Teil ihres Lebens, und entsprechend intensiv können Diskussionen darüber werden. Deshalb muss der CEO eines Familienunternehmens zwar selbstbewusst sein, seine Person aber im richtigen Moment auch zurücknehmen können. Und er braucht vermutlich in besonderem Maß die Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen und sie mitzunehmen.

Sandra Genge: Der CEO eines Familienunternehmens sollte fähig sein, neben der rationalen auch die emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen zu leben. Peter Selders nimmt an vielen Treffen der Familie teil. Dort führen wir lebhafte Diskussionen, tauschen Erfahrungen aus, erzählen Geschichten, werden mitunter auch mal emotional. Das ist etwas ganz anderes als ein gewöhnliches Meeting im Geschäft, bei dem es meist rein rational und analytisch zugeht.

Steven Endress: Eine hohe emotionale Intelligenz ist wichtig in dieser Rolle. Der CEO muss die Gefühle akzeptieren, die aus der Familie kommen – und die sich daraus ergeben, dass das Unternehmen eine mehr als 70 Jahre lange familiäre Geschichte besitzt. Er muss Freude daran haben, zuzuhören und mitzureden. Und: Er muss sich die Zeit dafür nehmen. Und zwar nicht aus Pflichtgefühl, sondern im Wissen, dass durch diesen Austausch mit der Familie die Kultur des Unternehmens immer wieder gestärkt und erneuert wird. Das ist der Boden für eine nachhaltige Entwicklung.

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