Ein leistungsstarkes Werkzeug für molekulare Analysen und Echtzeiteinblicke in Prozesse
ArticleMehrere Industrien11.07.2025
In Kürze
Definition: Raman-Spektroskopie ist eine zur Schwingungsspektroskopie gehörende Technik, die Änderungen der Polarisierbarkeit von Molekülen misst und damit einen eindeutigen „molekularen Fingerabdruck“ für die chemische Identifizierung liefert.
Vorteile: Ermöglicht zerstörungsfreie In-situ-Analysen in Echtzeit mit minimaler Probenvorbereitung. Ideal für wässrige Systeme, quantitative Überwachung und Prozesssteuerung.
Anwendungen: Wird für Pharmazeutika, in Bioprozessen, bei der Herstellung von Polymeren und Spezialchemikalien, in der Raffination, der Lebensmittel- und Getränkeherstellung und weiteren Bereichen eingesetzt; eine Schlüsseltechnologie für neue Energien sowie CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung.
Technologie: Raman-Systeme umfassen Laser, Sonden, die Optik und Detektoren. Sie liefern damit hochspezifische chemische Daten sowohl für qualitative als auch quantitative Analysen.
InhaltInhalt
Was ist Raman-Spektroskopie?
Spektroskopie ist eine Analysetechnik, die chemische Messungen mithilfe von UV-, sichtbarem oder Infrarotlicht durchführt. Sie ermöglicht schnelle, markierungsfreie, nichtinvasive und zerstörungsfreie chemische Analysen eines Materials. FBRM (Focused Beam Reflectance Measurement), UV/Vis (Ultraviolett-/sichtbarer Bereich), NIR (Nahinfrarot) und Raman sind Beispiele für Spektroskopie-Verfahren, die häufig in der industriellen Forschung und Entwicklung oder in Prozessumgebungen eingesetzt werden.
Unter ihnen bieten Techniken der Schwingungsspektroskopie – beispielsweise NIR, IR und Raman – leistungsfähige Werkzeuge für das Verständnis von Zusammensetzung und Molekülstruktur. NIR nutzt Nah Infrarotstrahlung, IR nutzt Infrarotstrahlung und Raman nutz Strahlung im sichtbaren oder im Nahinfrarotbereich zur Messung von chemischer Zusammensetzung und Molekülstruktur.
Schwingungsspektroskopie ist deshalb von so großem Nutzen, weil sie spezifische chemische Informationen bereitstellt, ohne dass die Proben dafür aufwändig vorbereitet werden müssen. Raman-Spektroskopie, eine zur Schwingungsspektroskopie gehörende Technik, die einen hochspezifischen molekularen Fingerabdruck liefert, arbeitet auf ähnliche Weise wie die IR-Spektroskopie. Es gibt jedoch durchaus Unterschiede zwischen Raman und IR, und sie sind ausschlaggebend dafür, in welchen industriellen Anwendungen sie eingesetzt werden.
Unterschiede zwischen IR- und Raman-Spektroskopie
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Infrarot- und Raman-Spektroskopie ist die Art und Weise, wie Wasser sich auf das Spektrum auswirkt. Infrarotlicht wird von Wasser stark absorbiert, wodurch die IR-Signale von einer Probe oft nicht gut zu erkennen sind. Dagegen weist Wasser ein schwaches Raman-Signal auf, wodurch die Raman-Spektroskopie besser für Messungen in wässrigen Lösungen geeignet ist. Ein weiterer Unterschied liegt in den verwendeten Wellenlängen: Die Raman-Spektroskopie arbeitet mit Wellenlängen im sichtbaren oder im Nahinfrarotbereich und ermöglicht dadurch die Verwendung von Standard-Lichtwellenleitern (LWL) und -Detektoren. Da die IR-Spektroskopie mit Wellenlängen im Infrarotbereich arbeitet, werden dafür spezielle Lichtleiter und Detektoren benötigt. Die Raman-Spektroskopie ist deshalb ideal für die Fernüberwachung und für Anlagen mit großen Entfernungen zwischen Detektor und Sonde.
Wie funktioniert Raman-Spektroskopie
Wenn Licht mit einem Molekül in Wechselwirkung tritt, kann es gebrochen, absorbiert oder gestreut werden. Bei einer Streuung kommt es bei den meisten Photonen nicht zu einer Wechselwirkung mit einem Molekül, sondern sie prallen einfach von ihm ab. Dies wird als Rayleigh- oder elastische Streuung bezeichnet. Ein kleiner Teil des Lichts erfährt eine unelastische Streuung, bei der Photonen mit Molekülschwingungen oder -rotationen interagieren und dadurch zu Energieverschiebungen führen. Diese Verschiebungen bilden ein Raman-Spektrum, das als molekularer Fingerabdruck dient. Die meisten Raman-Spektrometer messen diese Molekülschwingungen.
Das gesammelte Licht wird von der Kamera als Spektrum interpretiert, wodurch ein „molekularer Fingerabdruck“ des in der Probe untersuchten Materials erstellt wird.
Raman-Streuung
Raman-Streuung Der 1928 von C.V. Raman und K.S. Krishnan entdeckte Raman-Effekt beschreibt, wie ein kleiner Teil des Lichts, der von einem Molekül gestreut wird, durch die Energieübertragung mit Molekülschwingungen seine Frequenz ändert. Die ersten Raman-Untersuchungen wurden mit Sonnenlicht als Lichtquelle und Fotoausrüstung durchgeführt. In ihrem Originalaufsatz räumten Raman und Krishnan die „übermäßige Schwäche des Effekts“ ein. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Forscher viele Stunden oder sogar Tage mit der Erfassung eines einzigen Spektrums verbrachten. Die Einführung von Lasern, empfindlichen Detektoren und schnellen, auf Holographie basierenden Optiken hat Geschwindigkeit, Auflösung und Empfindlichkeit der Raman-Spektroskopie verbessert. Heute kann ein einzelnes Raman-Spektrum innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden gemessen werden.
Der Streuungsvorgang Wenn ein Photon mit einem Molekül in Wechselwirkung tritt, kann es ein Elektron in einen virtuellen Energiezustand anregen. Wenn das Elektron auf ein anderes Schwingungsniveau zurückkehrt, hat das gestreute Photon eine andere Energie, die auf der Anfangsenergie der Molekülschwingung beruht.
Stokes-Streuung: Das Photon verliert Energie (häufigster Fall)
Anti-Stokes-Streuung: Das Photon gewinnt Energie (weniger häufig)
Diese Energieunterschiede werden als Raman-Verschiebungen in Wellenzahlen (cm⁻¹) in einem Spektrum aufgetragen. Da Moleküle viele Schwingungen mit einer jeweils unterschiedlichen Energie aufweisen, liefern diese Verschiebungen Informationen über verschiedene Funktionsgruppen innerhalb des Moleküls.
Schwingungsenergien und Auswahlregeln
Schwingungsenergien Schwingungsenergien hängen von mehreren Eigenschaften eines Moleküls ab:
Atommasse
Bindungsordnung
Molekülgeometrie
Wasserstoffbindung
Die Raman-Spektroskopie kann verschiedene die Zusammensetzung und Struktur betreffende Aspekte eines Moleküls sowohl für die Hauptkette (Backbone) als auch für Seitenketten messen. Sie ist dadurch zu einem wichtigen Verfahren in der Werkstoffkunde, für Polymere, Speiseöle und in der Biochemie geworden.
Auswahlregeln Eine Schwingung ist Raman-aktiv, wenn sie eine Änderung der Polarisierbarkeit bewirkt. Üblicherweise sind symmetrische Streckungen oder Schwingungen Raman-aktiv. Dieser Mechanismus bildet eine Ergänzung zur IR-Spektroskopie, bei der eine Schwingung das Dipolmoment ändern muss und in der Regel mit asymmetrischen Schwingungen verbunden ist.
Starke Raman-Streuer: Moleküle mit delokalisierten Elektronenwolken (z. B. Doppelbindungen C=C)
Schwache Streuer: Stark polare Bindungen (z. B. O–H)
Fortschrittliche Raman-Techniken
Durch die Entwicklung verschiedener Varianten der Raman-Spektroskopie konnten das Raman-Signal verstärkt bzw. Störungen durch Fluoreszenz verringert werden. Zwei bedeutende Verbesserungsansätze sind Resonanz-Raman-Spektroskopie und oberflächenverstärkte Raman-Streuung.
Resonanz-Raman-Spektroskopie (RR) Wenn der Anregungslaser mit einem elektronischen Übergang übereinstimmt, werden bestimmte Schwingungsmoden durch Resonanz um Faktoren von 10² bis 10⁴ verstärkt. Diese Technik eignet sich für die Untersuchung von Chromophoren und aromatischen Verbindungen.
Oberflächenverstärkte Raman-Streuung (Surface-Enhanced Raman Scattering, SERS) SERS verstärkt Raman-Signale um das 10³- bis 10⁶-Fache, wenn Moleküle auf nanostrukturierten Metalloberflächen (z. B. Silber, Gold) absorbiert werden. Dies ermöglicht den Nachweis mikromolekularer Konzentrationen, wobei der Anwendungsbereich allerdings auf Oberflächenchemie und Adsorptionskinetik begrenzt ist.
Qualitative und quantitative Raman-Spektroskopie im Vergleich
Die Raman-Spektroskopie wurde traditionell für qualitative Analysen verwendet, um chemische Spezies mithilfe ihrer spektralen Fingerabdrücke zu identifizieren. Fortschritte bei holographischen Techniken, Hochdurchsatz-Analysatoren und multivarianter Datenanalyse haben jedoch auch quantitative Raman-Spektroskopie möglich gemacht.
Qualitativ: Identifiziert Verbindungen
Quantitativ: Misst Konzentrationen in Echtzeit
Seit die auf modernen Geräten für dispersive Messungen basierende Raman-Spektroskopie Mitte der 1990er Jahre in industrielle Umgebungen eingeführt wurde, konnten mit ihrer Hilfe anspruchsvolle Aufgaben bei der Identifizierung, Quantifizierung und der Prozessüberwachung gelöst werden. Bei den ersten Anwendungen bestand ein enger Zusammenhang mit Analysen, die bereits mittels Fourier-Transformations-Infrarot (FTIR)- oder FT-Raman durchgeführt worden waren, da die Raman-Technik ähnliche Informationen über Zusammensetzung und Molekülstruktur liefert.
In vielen dieser frühen Berichte wurde Raman erst getestet, nachdem in der praktischen Umsetzung die Grenzen von FTIR oder FT-Raman – z. B. Verschmutzung der Probensonde, hohe Laserleistung oder Inkompatibilität mit wässrigen Systemen – zutage getreten waren. Nach den Anfangserfolgen wuchs in der Industrie das Vertrauen in die Raman-Technik und die Robustheit ihrer Hardware und führte dazu, dass auf Raman basierende Produkte breitere Anwendung fanden und Raman-Prozesse besser verstanden wurden.
Inzwischen hat sich die Raman-Spektroskopie als Technik bewährt, welche die Spezifizität der FTIR- mit der unkomplizierten Messung der NIR-Spektroskopie vereint. Aus heutiger Sicht gilt Raman in der Prozessanalysentechnologie (PAT) als erste Wahl und nicht mehr als letztes Mittel der PAT.
Vorteile der Raman-Spektroskopie
Raman bietet mehrere entscheidende Vorteile:
Spezifizität: Scharf abgegrenzte, nicht überlappende Bänder ermöglichen eine genaue Identifizierung
Kompatibilität mit Wasser: Minimale Störeinflüsse durch Wasserbänder
Breiter Konzentrationsbereich: Von <1 % bis 100 % ohne Verdünnung
Keine Probenvorbereitung: Berührungslose, zerstörungsfreie Analyse
Schnell: Spektren werden innerhalb von Sekunden oder Minuten erfasst
Vielseitig: Geeignet für Standardbehältnisse (Glas, Saphirglas, Polymere)
Quantitativ: Signalstärke ist proportional zur Molekülkonzentration
Da die Raman-Spektroskopie Licht im sichtbaren und im Nahinfrarotbereich nutzt, kann sie mit vielen verschiedenen Messgerätetypen kombiniert werden. Raman-Spektren können mit Geräten für dispersive Verfahren gemessen werden, die mit einem Mikroskop, einem Hand- oder tragbaren Gerät oder mit LWL-Messsonden kombiniert werden.
Ein Raman-System umfasst:
Laseranregungsquelle
Optionen für die Übertragung der Anregung
Probenschnittstelle (z. B. Mikroskopobjektiv, Tauchoptik, berührungslose Sonde, Durchflusszelle)
Sammeloptik
Vorrichtung zur Wellenlängentrennung (z. B. Spektrograph)
Detektor und Elektronik
Datenerfassungs- und Analysesoftware
Raman-Anwendungen für unterschiedliche Stoffphasen und Branchen
Die Raman-Spektroskopie ist ein vielseitiges Analysewerkzeug, das für Feststoffe, Flüssigkeiten, Gase und komplexe Medien genutzt wird. Sie kann daher viele verschiedene Branchen und Forschungsgebiete unterstützen.
Stoffphasen Die Raman-Spektroskopie kann auf viele verschiedene Materialien angewendet werden, darunter:
Feststoffe: Partikel, Pellets, Folien, Fasern
Flüssigkeiten: Lösungen, Gele, Pasten
Gase
Medien aus Phasengemischen: Suspensionen, Schlämme, Zellkulturen
Anwendungen in verschiedenen Branchen Die Raman-Spektroskopie spielt eine entscheidende Rolle in zahlreichen Branchen, darunter:
Pharmazeutika: Überwachung von Wirkstoffreaktionen, Verarbeitung von Feststoffdosen, Identifizierung von Polymorphen, Optimierung von Formulierungen, PAT
Bioprozesse: Überwachung und Steuerung von Zellkulturen im Upstream, Strukturen höherer Ordnung, Medienvorbereitung, Konzentration von Zielproteinen, Produktformulierung, PAT
Industrielle Forensik: Identifizierung defekter Materialien, Identifizierung von Polymorphen, Zuschlagstoffe, Fälschungen
Polymere und Nanotechnologie: Reaktionsüberwachung, Strukturanalysen, Qualitätskontrolle, Kristallinität
Spezialchemie: Ammoniaksynthese, Methanolherstellung, Reaktionsüberwachung von Feinchemikalien, Kristallisation, Olefinherstellung
Umweltwissenschaften und Geologie: CO2-Speicherung, -Nutzung und -Lagerung
Lebensmittel und Getränke: Speiseölqualität, Schokolade, In-vitro-Fleisch, Fälschungen, Fermentationsüberwachung und -steuerung
Öl und Gas: Raffination, Aminwäsche („Amine Sweetening“), Erdgasproduktion
Grenzen erweitern Heute wird die Frage, ob eine Messaufgabe für die Raman-Spektroskopie geeignet ist, im Allgemeinen mit „Ja“ beantwortet. Die Zuverlässigkeit der Hardware, unzählige Messmodalitäten für die Proben, die Übertragbarkeit von Modellen und die geringen Betriebskosten machen die Raman-Spektroskopie zu einem attraktiven Analysewerkzeug. Im Zuge der Weiterentwicklung der Raman-Spektroskopie erlangt sie durch neue Fortschritte bei Messgeräten und Anwendungen eine immer größere Bedeutung in der Forschung, in klinischen und in Laborumgebungen. Zu den jüngsten Einsatzbereichen gehören die Biomedizin, beispielsweise Gewebeanalysen und Diagnose von Krankheiten, sowie die Konservierung von Kunstwerken durch Identifizierung von Pigmenten und Materialien.
Häufig gestellte Fragen zur Raman-Spektroskopie
Literaturverzeichnis
Efremov, E.V.; Ariese, F.; Gooijer, C. Achievements in resonance Raman spectroscopy: Review of a technique with a distinct analytical chemistry potential, Analytica Chimica Acta, 2008.
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